So ähnlich verhält es sich mit dem Ansatz der Salutogenese, also der Wissenschaft um Gesundheit und Gesundheitsfaktoren: Sie betrachtet aus einer positiv geprägten Perspektive, was die „Pathogenese“ aus dem negativen Blickwinkel dessen betrachtet, was schiefgelaufen ist. Schon aus diesem Grund ist mir das Thema Salutogenese nicht nur sympathisch; mich mit dem zu beschäftigen, was mich gesund hält oder macht, erscheint mir auch nützlicher als die Auseinandersetzung mit dem, was mich schon krank gemacht haben wird.
Damit, und mit dem selten eindeutigen Haupttitel von Tanja Rosenbaums Buch, ist die Grundidee auch schon beschrieben: Dieses Buch gibt einen Überblick über die beeinflussbaren Faktoren in unserem Leben, die zu unserer Gesundheit beitragen (und damit Krankheit verhindern helfen). Das Spektrum ist erwartungsgemäß breit bzw. ganzheitlich: Nicht nur der Körper und dessen vielfältige Meinungsäußerungen werden bei der Salutogenese betrachtet, sondern auch Faktoren wie Emotionen, die Persönlichkeit, Glaubenssätze, Intuition, Balancen wie Work-Life und der Beziehungshaushalt – aber auch der fraglos gesundheitsrelevante Bereich der Führung.
Die zentrale Methode ist die Selbstreflexion. Wer also keine Lust hat, in sich und seinen Körper hineinzuhören und dabei auch ehrlich zu sein, ist hier sicher falsch. Was dabei hilft ist allerdings die Tatsache, dass die Autorin sich nach eigener Aussage früher selbst nicht von ganzheitlichen Ansätzen angezogen gefühlt hat. Durch eine Erkrankung Tochter wurde sie jedoch auf diesen Pfad geführt wurde – und hat ihn nicht mehr verlassen hat. Heute begleitet sie nach einer Reihe von Ausbildungen Menschen bei Heilungsprozessen und berät auch Behörden und Unternehmen zum Thema Gesundheitsförderung bzw. „Gesundung“ –wirklich ein besseres Wort als „Behandlung“ …
Was mir besonders gut gefällt ist genau dieses Sprachbewusstsein, dass sich durch das ganze Buch zieht: von der grundlegenden Argumentation bis hin zur Detailbetrachtung der einzelnen Faktoren. Eine meiner Lieblings-Analogien findet sich gleich im ersten Kapitel des Buches, wo die Autorin die Investitionsbereitschaft in die Autopflege mit der in die gesunde Ernährung vergleicht. Sehr überzeugend finde ich auch die Feststellung, dass eine gelingende Behandlung bzw. Gesundung neben der Linderung von Beschwerden auch noch Glückshormone freisetzt – so wie es auch gelingende Kommunikation tut, wenn sie unsere Beziehungen heilt.
Auch, wer sich bisher noch nicht näher mit dem komplexen System der Gesundheitsfaktoren auseinandergesetzt hat, wird sich hier gut an die Hand genommen fühlen. Die Zugangsschwelle ist durch die Vogelperspektive doch niedriger als bei stärker „pathogenetisch“ orientierten Büchern. Gerade in den Kapiteln, die sich der Physiologie widmen, geht es teilweise aber doch ganz schön zur Sache und ins Detail. Zum Glück fängt die durchgehend anschauliche Sprache das an den entscheidenden Stellen wieder ab. Vor allem wird jeder Themenbereich mit ganz konkreten Handlungsoptionen abgerundet. So stellt die Autorin nicht nur fast, dass ein starkes Immunsystem ein gesundes Darmmikrobiom braucht, sondern gibt auch konkrete Tipps, wie man das erreichen kann.
Besonders freut mich, dass es tatsächlich so etwas wie eine „salutogene Kommunikation“ gibt, die hier im Wesentlichen auf dem bekannten Konzept der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg aufbaut. Kommunikation hat aus meiner Sicht einen großen Einfluss auf ein gesundes Leben – und ich freue mich über jeden Ansatz, der ihre Bedeutung thematisch und methodisch würdigt.
Ich empfehle das Buch von Tanja Rosenbaum vor allem all jenen, die sich mit ihrer Gesundheit bisher in erster Linie aus der Sicht von Krankheit und Symptomen beschäftigt haben anstatt aus der Perspektive des Gesunden. Allein das macht einen gewaltigen Unterschied für den Umgang mit sich selbst. Auf dieser spannenden Reise ist dieses Buch eine große Hilfe."